re:pair FESTIVAL 2024: Tina Zickler im Gespräch
Das re:pair FESTIVAL läuft dieses Jahr von 10. bis 27.Oktober 2024. Es gibt ein vielfältiges Programm, dieses Jahr mit Schwerpunkten auf "fast fashion" und "fast furniture". Was man sich genau darunter vorstellen kann und welche Events dieses Jahr konkret geplant sind erzählt uns die Festival-Oranisatorin Tina Zickler im Interview.
Reparaturnetzwerk: Dieses Jahr geht das re:pair Festival in die dritte Runde. Was hat sich verändert im Vergleich zu den bisherigen Festivals in den Jahren davor? Was ist gleichgeblieben?
Tina Zickler: Dieses Jahr gastiert das re:pair FESTIVAL im Museumsquartier, da das Volkskundemuseum Ende September für die lang geplante Generalsanierung geschlossen wird. Ich freue mich sehr, dass wir für das re:pair FESTIVAL 2024 schöne Räume in dieser tollen, super zentralen Location bekommen haben.
In diesem Jahr kommt neben FASHION ein zweiter Schwerpunkt hinzu: FURNITURE. Firmen wie IKEA treiben die Entwicklung hin zu FAST FURNITURE voran, um möglichst schnell möglichst viel Umsatz zu generieren. Dabei sind viele Produkte weder fair und nachhaltig hergestellt noch bestehen sie aus nachwachsenden Naturmaterialen. Gerade bei der Herstellung von Polstermöbeln werden oft verklebte Schaumstoffe verwandt, die ein Fall für die Deponie sind. Deshalb zeigen wir die von Tapeziermeisterin Ida Divinzenz kuratierte Ausstellung "Außen hui, innen pfui – das Innenleben von Polstermöbeln“. Dazu finden täglich Kurzführungen zur vollen Stunde statt - natürlich bei freiem Eintritt.
Ein besonderes Highlight ist in diesem Jahr die partizipative Modenschau, die am 23. Oktober in der Ovalhalle im MQ laufen wird. Wir zeigen die 24 tollsten geflickten Jeans aus Wien! Wir präsentieren Held*innen der Reparatur, die ihre Jeans während der Aufwärmrunde im Rahmen unserer Sashiko-Workshops oder zuhause geflickt und bestickt haben. Jede/r kann sich bis zum 26. September mit der eigenen Jeans für eine Teilnahme bewerben!
Auch in diesem Jahr wird es wieder AMBULANZEN geben! Unsere Ambulanzen funktionieren wie beim Arzt: Der Reihe nach werden alle mitgebrachten defekten Dinge so weit wie möglich repariert – kostenlos. In diesem Jahr werden Sessel, Fahrräder, Geigen & Saiteninstrumente und Elektrogeräte jeder Art wieder zum Funktionieren gebracht. Darüber hinaus bieten wir zweimal die Knopf-Akademie an: Dort lernt man, einen Knopf professionell anzunähen und damit sein Lieblingsgewand zu flicken. Mit neuen Knöpfen kann man auch ein Kleidungsstück »aufpeppen« oder mit alten Knöpfen aus »Omas Knopfschachtel« kreatives Neues gestalten.
Reparaturnetzwerk: Das diesjährige Festival findet erstmals im Museumsquartier statt, aber auch an fast 20 anderen Spielstätten in Wien. Wo gibt es da was für die Besucher*innen zu entdecken?
Tina Zickler: Schon in den letzten beiden Jahren habe ich mit vielen Partnern kooperiert. Das Filmcasino ist von Anfang an dabei und heuer werden im Kino am Spittelberg montags um 18 Uhr spannende Filme gezeigt. Am 14. Oktober findet dort die Preview des Films „Wildes Land - Die Rückkehr der Natur“ von David Allen statt. Das ist die wahre Geschichte eines der bedeutendsten Renaturierungsprojekte Europas, erzählt von einem jungen englischen Paar, das seine Farm der Natur zurückgibt und damit beeindruckende Ergebnisse erzielt.
Auch das WUK ist wieder dabei und dort findet die Offene Werkstatt für Leder und Design statt. Hier werden am 19. Oktober Lederwaren, Textilien und kleinere Holzobjekte unter Anleitung des Teams der Lederwerkstatt selbständig repariert. Der Recycling-Kosmos Ottakring bietet in diesem Jahr einen Offenen Näh- und Material Raum, wo man/frau nach Herzenslust seine eigenen Näh- und Upcycling Projekte realisieren kann. Dort finden auch ein klassischer Stoff-Tausch und ein Furoshiki-Workshop statt. Hier kann man/frau diese japanische Verpackungs- und Falttechnik ausprobieren und packt mitgebrachte Gegenstände, z.B. Bücher, Flaschen etc. ein.
Neu dabei ist viktoria.wien. Kräftige Farben, klare Muster und das Spiel mit Formen und Kontrasten: Beim Upcycling-Workshop werden Kleiderstoffe mit einfachen Mitteln grafisch aufgewertet. Ob mit dem Pinsel, selbst geschnitzten Stempeln oder einem knallorangen Faden.
Für die Aufwärmrunde, die bereits am 11. September startet, konnte ich heuer erstmalig die Büchereien Wien als Kooperationspartner gewinnen. Sowohl in der Hauptbücherei als auch an vier weiteren Standorten finden Sashiko-Workshops statt. Sashiko ist eine japanische Flick- und Sticktechnik, die für gelebte Nachhaltigkeit steht. Auch wenn sie sich in Japan von einer einfachen Reparatur- zu einer komplexen Mustertechnik entwickelt hat, geht es in diesem Workshop nicht um technische Perfektion, sondern um die Freude am eigenständigen Reparieren. Alle Stiche werden von Hand ausgeführt. Vorkenntnisse im Nähen oder Sticken sind nicht erforderlich. Aber Vorsicht: Sashiko ist nicht nur entschleunigend und meditativ, sondern kann auch süchtig machen!
Reparaturnetzwerk: Das Thema Textilien scheint dir ein besonders großes Anliegen zu sein. Wieso setzt du gerade diesen Schwerpunkt?
Tina Zickler: Weil die Textilindustrie nach der Ölwirtschaft die zweitdreckigste Branche weltweit ist. Sie ist für 10% des globalen CO2 Aufkommens zuständig - das ist mehr als die Luft- und Schifffahrt gemeinsam verantworten. Den wenigsten Konsument*innen ist das bewusst, weil FASHION positiv besetzt ist und ein cooles Image hat. Die heutige Situation ist jedoch obszön! Wenn man sich vergegenwärtigt, wie kostbar Kleider und Textilien früher waren, ist Bekleidung in den Industrieländern zum billigen Wegwerfprodukt verkommen.
60 % der globalen Textilproduktion wird noch im selben Jahr vernichtet - auch das wissen die wenigsten. Diese extreme Form der Ressourcen Verschendung können wir uns nicht länger leisten! Deshalb präsentiere ich in diesem Jahr die Ausstellung „Touch & Feel - Qualtiät in der Mode“. Vergleicht man die Qualität von heutigen Stoffen und heutigem Näh-Zubehör sowie deren Verarbeitung mit den Standards vor 100 Jahren, muss man einen eklatanten Qualitätsverlust konstatieren. Viele Jugendliche und Erwachsene kennen nur noch qualitativ minderwertige Bekleidung aus Kunstfasern, vor allem Polyester. Die herausragenden Eigenschaften von nachwachsenden Naturmaterialien – Nachhaltigkeit, Langlebigkeit und Tragekomfort – sind vielen Menschen heute unbekannt. Die Ausstellung „Touch & Feel“ zeigt, welch hohe Qualität Stoffe, Knöpfe und weiteres Zubehör früher hatten. Leinen, Seide, Wolle, Kaninchenpelz, Perlmutt-, Glas- und Hornknöpfe versus Polyester, Polyamid und Plastik – Touch & Feel!
Reparaturnetzwerk: Das klingt nach einem wirklich spannenden, umfangreichen Programm. Das Reparaturnetzwerk freut sich sehr, mit einigen Betrieben und Partner*innen beim Festival vertreten zu sein! Vielen Dank für das Gespräch, wir wünschen dem Festival viel Erfolg!